Blocher-Rauswurf

Zum Blocher-Rauswurf muss ich natürlich auch noch kurz ein paar Worte verlieren. Weil da ja eh schon zuviel geschrieben wird, versuche ich mich sehr sehr kurz zu halten:

  • Die Abwahl ist in erster Linie einmal unglaublich befriedigend. Ob sie gut/klug/sinnvoll/etc. war, will ich mal noch offen lassen, aber sie ist einfach wahnsinnig befriedigend, und dies anscheinend auch für Leute, die Politik nur am Rande verfolgen und tendenziell in der Mitte stehen.
  • Von der Oppositions-Drohung halte ich in erster Linie einmal nichts. Was wollen Sie noch mehr Opposition machen? Haben Sie unterdessen schon vergessen, dass Sie bereits nach der Schmied-statt-Eberle-Wahl erklärt haben, sie gingen nun in die Opposition? Oder hat sich da etwa nach der Blocher-Wahl etwas verändert? Wovor sollen wir da genau Angst haben?
  • Wenn sich die SVP-Opposition in Peinlichkeiten wie dem Fordern von 50% Redner und Redezeit in der Arena verirrt, freue ich mich auf die kommende Zeit. Eine derart absurde Forderung können doch hoffentlich nicht einmal mehr die ärgste Blocherfans nachbeten! Wer solche Dinge in der Welt hinausposaunt hat doch einfach ein Drogenproblem.
  • Was mir hingegen rund um die Blocherabwahl Angst macht, ist die Verrohung der politischen Sitten. Das hört sich völlig übertrieben an, aber ich meine es ernst. Denn vom sorgfältig austarierten System des gegenseitigen Nicht-Weh-Tuns in der Schweiz profitieren in allererster Linie zwei: Die Wirtschaft (via der dadurch entstehenden sagenhaften Stabilität) und vor allem die Minderheiten. Und die chronische Minderheit in diesem Land sind wir Linke. Über die nächsten 50 Jahre hinaus gesehen – bei welcher Partei werden CVP und FDP häufiger versucht sein, einen unbequemen Bundesrat auszuwechseln? Doch wohl eher bei uns. Auch dass man nach der Abwahl den ersten Ordnungsantrag auf Sitzungsunterbruch abschmetterte, dürfte über die lange Frist gesehen wohl öfter bei linken als bei rechten Krisen wiederholt werden – bei der Mathey-Wahl wurde uns dies beispielsweise gewährt. Hans-Jürg Fehr hat schon recht, dass am Mittwoch die Bundesversammlung erstmals ihre oberste Aufgabe – das Wahlrecht – konsequent wahrgenommen habe – ich habe einfach relativ stark Angst, dass eine wählende Bundesversammlung über die lange Frist für uns ungemütlicher ist als für die anderen.
  • Zur Konkordanz übergebe ich das Wort sehr gerne Herrn Gregor Rutz. OK, das ist etwas unfair – auch linke Meinungen passen sich regelmässig den Gegebenheiten an. Aber lustig finde ich das schon.
  • Bezüglich Volkswille hat Daniel Goldstein heute im Bund eigentlich alles gesagt was es zu sagen gibt. Solange der Bund nur ein Pseudo-Archiv hat, nehme ich mir die Frechheit heraus, da ohne jedes Copyright verbatim zu zitieren – ich bin halt einfach der Meinung, dass ein solcher Text länger als 30 Tage auf dem Netz verfügbar sein sollte:

Willkommen, VOLK
Punktum
«Volkes Wille» sei missachtet worden, war dieser Tage oft zu hören aus einer Partei, die das Volk im Namen führt. Und die in dessen Namen gefordert hatte, Bundesrat Blocher im Amt zu bestätigen – denn mit just dieser Forderung hatte sie es bei den Nationalratswahlen auf stolze 29 Prozent gebracht. Die restlichen 71 Prozent hätten Christoph Blocher aus dem Bundesrat weghaben wollen, wäre eine vermessene Behauptung – aber es stellt sich doch die Frage, was für ein Volkswille mit seiner Abwahl missachtet worden sei.

Oder genauer, welchen Volkes Wille. Es scheint da ein Volk zu geben, von der SVP auch sonst gern zitiert, das genau das will, was die Parteiführung auch will. Braver als manche Amtsträger dieser Partei, die sich mit dem verordneten Abmarsch in die Opposition schwer tun. Dieses schier mythische Volk sollten wir vielleicht VOLK schreiben. Es scheint sich sprachlich von «folgen» abzuleiten und überhaupt eine eigene Sprache zu pflegen, in der etwa «Konkordanz» etwas anderes bedeutet. Zu Blocher zu halten, ist sein gutes Recht, aber mit jenem Volk, zu dem alle gehören, sollten wir es nicht verwechseln. Es gehört auch dazu, und wie alle Minderheiten hat es Anspruch auf Vertretung – es darf diese nur nicht alleine wählen.

Jedenfalls so lange nicht, bis eine Mehrheit des abstimmenden Volks ein Wahlrecht beschliesst, das diese Möglichkeit bietet. Ob das VOLK just 29 Prozent umfasst, und ob es noch andere gemeinsame Charakteristiken hat, als Blocher im Bundesrat zu wollen, braucht uns nicht zu kümmern: Es darf sich getrost selber definieren. Nur bitte unter einem anderen Namen. Daniel Goldstein, Der Bund, 15.12.07

  • Und um auf einem ähnlichen Ton zu schliessen, möchte ich einfach noch einmal auf die beste Einführung in Schweizer Staatskunde verweisen, die jemals gedruckt wurde. Ich hoffe, dass bald ein Update nachgereicht wird.