Grosse Zahlen

Auf was man bei den verlängerten Pausen beim Für-Die-Liz-Arbeiten-Und-Telephonate-Vor-Sich-Hin-Schieben nicht so alles stösst: Eine ausgezeichnete Analyse zur aktuellen US-Wirtschaftslage – nachdem der ganz grosse Einbruch fürs erste aufgefangen ist, aber die Lage insgesamt noch unschöner wurde. Nicht dass ich mit den geforderten Konsequenzen so ganz einverstanden wäre (sie werden im Artikel meist gleich selber als unrealistisch verworfen) – aber da bin ich vielleicht auch nicht Finanzanalyst genug.

(iTulip.com ist eine Finanzmarkt-Seite (‚the global online economics and financial markets community‘) welche zwar recht deutlich nicht links steht, aber für ein Angebot aus dieser Branche doch sehr viel Sachverstand und vor allem Volkswirtschaftliches Grundwissen hat – insb. findet man das übliche ideologische Free-Markets-Gebrabel nirgends, stattdessen seriöse Besprechungen der Troika Keynes-Fisher-Minsky. Dementsprechend sind sie ziemlich gut im Voraussagen von Krisen und haben bsp. im 99 vor der .com-Blase, 02 ein erstes Mal von der Immobilien-Blase gewarnt und im Mai 2006 die Losung ‚Sell Everything‘ herausgegeben. Dies auch nur mal wieder um dem ewigen Die-Volkswirtschafter-Sahen-Nichts-Kommen zu begegnen – die Volkswirtschaft hat seit den 50ern Modelle für die aktuelle Krise im Kanon und konnte deshalb auch seit langem vor dem Eisberg warnen – das Problem war die völlig verideologisierte Wirtschaftspolitik und die Vereinnahmung der VWL durch die Betriebswirte und daraus folgend die Zersetzung der gelehrten Volkswirtschaft an den Universitäten.)

Item, zwei Punkte in der Analyse fand ich sehr eindrücklich:

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Diese Grafik hat mich zuerst kurz verwirrt, weil ich den blauen Strich ganz rechts nicht gesehen habe. Ich habe ja gewusst, dass die Notenbanken im Moment klotzen und nicht klecksern, aber dass der Fed die monetäre Basis kurzerhand verdoppelt hat, während man die Greenspan-Interventionen im langen Vergleich kaum sieht, dass war mir so nicht bewusst.

Für die Nichtökonomen unter den Lesern: All things equal würde eine Verdoppelung der monetären Basis in etwa fast einer Verdoppelung aller Preise gleichkommen – würde man dies regelmässig machen, käme man auf eine Inflationsrate von 100%. Zum guten Glück sind all die anderen Sachen aber eben nicht gleich sondern derart desaströs, dass alle vor der Deflation Angst hatten und man nur hoffen konnte, dass das Ausweiten der Geldmenge die Situation an den Finanzmärkten zumindest ansatzweise kompensieren könnte. Und vor allem gibt es keinen Grund, weshalb man dies mehrfach tun sollte – und erst in der Perpetuierung des Mechanismus liegt die eigentliche Inflations-Gefahr. Das Problem ist, dass die Geldpolitik der Notenbanken ein verdammt grosser und schwerfälliger Tanker ist – wenn sich die Umstände wieder ändern, wird es sehr schwierig bis fast unmöglich, die Geldmenge im genau richtigen Moment um die genau richtige Menge wieder zu verringen; kommt man zu früh, wird dies den Aufschwung massiv verzögern, kommt man zu spät, rast man mit grossem Anfangstempo in die Inflation. Zum Vergleich beachte man in der Grafik die vergleichsweise moderate Geldmengen-Auswertung in den 60er, die dann mehr als 10% Inflation und kurz darauf die OPEC-Stagflation generiert hat).

Für die Ökonomen unter meinen Lesern: Bitte verzeiht dies unglaublich naiven und vereinfachenden Ausführungen.

Das zweite betrifft den US-Bodenmarkt: Unterdessen sind 95% aller US-Hypotheken staatlich (also insb. über F&M) gesichert. Und diese Hypotheken entsprechen einem (verschriebenem) Wert von … Trommelwirbel … 45 Billionen $. (richtig gelesen – nicht billions, sondern trillions. Millionen Millionen. Das 3-fache des US-BSP). OK, es gibt gute Gründe weshalb man den echten Wert dieses Pakets wohl eher auf 20-25$ Billionen bewerten würde, aber das sei mal aussen vor.

Ich versuche das mal schnell anders zu formulieren: Hinter jedem Amerikaner, jeder Amerikanerin über 25 Jahren steht eine Hypothekar-Schuldenlast von 260’000 $ (Medianeinkommen vor der Krise: 32’000$) . Von diesen Schulden gehören 247’000 $ dem Staat, nur 13’000 $ werden direkt vom Finanzmarkt aus garantiert. Das wäre jetzt wohl der perfekte Moment, um den Boden zu Kollektivieren, aber mein Gefühl sagt mir, dass Obama nicht ganz so weit gehen wird.

Ich teile die Einschätzung von iTulip.com, dass die Wertkorrektur des Bodens nicht aufzuhalten ist (resp. dass dies das Problem nur verzögern und massiv verschärfen würde), und dass mit einer Senkung der eh schon viel zu tiefen Zinsen nur gerade die nächste Blase generiert würde. Das Problem ist jetzt einfach nur, dass iTulips dritter Weg – das zurückfahren der Hypo-Schulden – schlechterdings nicht in nützlichem Ausmass geschweige denn nützlicher Frist möglich ist. Selbst wenn mehrere Jahre lang nur und ausschliesslich fürs Zurückfahren der Verschuldung gearbeitet würde, wäre der Schuldenberg immer noch völlig jenseits. Solange man die bestehenden Vermögen nicht antastet, gibt es gar keine andere Lösung, als sich durchzuwursteln und auf ein Wunder zu hoffen.

Lynchjustiz war doch eigentlich auch ein probates System

Ein besonderes Ärgernis sind die Prozessentschädigungen in der Höhe von insgesamt rund 3 Millionen Franken an die Angeklagten. Es darf nicht sein, dass sie sich aus den Prozessen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bereichern!

Die Reaktion auf die Swissair-Freisprüche machte mir wieder mal deutlich: Eigentlich habe ich in der SP einfach nichts mehr zu suchen. Als die SP Altstadt eine der Pilotsektionen für die Grundwerte-Debatte war, fragte uns Ursula Koch, was es brauchen würde, damit wir aus der SP austreten würden. Das schöne an unserer Sektion war und ist; dass ich nicht alleine war mit dem Kriterium, dass die SP vorbehaltlos für die Rechtsstaatlichkeit eintreten müsse, dass das Fass dann überlaufen würde, wenn wir dem politischen Gegner aus reinen Arena-Tauglichkeits-Überlegungen plötzlich grundlegende Rechte aberkennen würde.
Die SP hat diese rote Linie in letzter Zeit ein paar Mal arg strapaziert; heute einfach ein bisschen mehr als sonst. Und es ist mir scheissegal, ob MaurerPelliDarbelley den gleichen Mist verzapft haben. Eigentlich müsste ich jetzt austreten.

Ich werde es wieder nicht machen – keine Ahnung warum, ob aus Verbundenheit mit der prinzipiellen Idee, ob aus Feigheit vor meinem eigenen Rechtsrutsch oder einfach weil ich in der besten Sektion der gesamten SP bin, sowohl auf der menschlichen wie auf der politischen Ebene. Ist ja wurscht…

Genauso werde ich mich nicht dafür haben, gegen die Billag zu prozessieren, aber weshalb ich eine Sendung wie 10vor10 mit Konzessionsgeldern unterstützen sollte ist mir nun wirklich unklar. Ein bisschen Rufmord hin und wieder geht ja ganz in Ordnung, aber man kann es auch übertreiben. Ganz schön finde ich auch die Strategie, zum einen auf Empörung wegen der Freisprüche zu machen und gleichzeitig die Staatsanwaltschaft wegen dem führen eines angeblich völlig überteuertem Prozess anzupinkeln. 10vor10 hätte einfach Sepp Moser in den Zeugenstand gerufen und das Ding wäre geschaukelt gewesen. Aber solche Versager wie Christian Weber gehören öffentlich ausgepeitscht.

Tolles vom Prof. Dr. Wilhelm Lorenz

Nicht dass ich je zuvor irgendwas vom Herrn Lorenz gehört habe, ich weiss nicht einmal wo denn Wernigerode liegt, wo er an der Hochschule Harz unterrichtet, aber bei der Prüfungsvorbereitung diese Nacht bin ich auf des Herrn Lorenzs Seite gestossen und bin von seiner Einführung in Makroökonomie schlicht begeistert.
Für die heutige Geldtheorie-Prüfung hats mir zwar nix genützt, aber wenn man mal kurz wieder mal einen Mechanismus von Keynes nachschlagen und -denken will, ist sie wirklich sehr flott; der Artikel zur Spekulationskasse beispielsweise ist zweifellos die einleuchtendste Darstellung die ich je gesehen habe. Und vielleicht (das kann ich nicht so ganz beurteilen) ist die Seite sogar für einen VWL-Crashkurs tauglich.
Und zu allem dazu hat Herr Lorenz auch gleich noch eine gute Link-Sammlung, so unter anderem zu einigen Seiten, die simple Modell-Simulatoren anbieten, insb. ein paar coole Excel-Files für IS, IS-LM und IS-LM-CC. Nicht alles wirklich neuste Technologie und nur wenig Mac-Tauglich, aber schlussendlich etwas von dem, was mir schon seit längerem als Projekt vorschwebte: Schnell mal einen Investitionsschock oder einen Wechselkurs-Crash eingeben und schauen, wie sich die Gleichgewichte verschieben.
Danke Herr Prof. Dr. Wilhelm Lorenz, wirklich ein starkes Angebot, dass sie da haben.

Tss tss Herr Kindle…

Ich habe immer wieder Freude, wenn ich Kleinigkeiten im Fernsehen entdecke:
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Fred Kindle, ABB-Chef, der die Firma aus der Verlustzone raus saniert hat, lässt seinen Chauffeur auf dem ABB-Behindertenparkplatz parken. Und vergisst, für den 10vor10-Bericht die Karre umparken zu lassen.
Naja, man kann ja nicht fehlerfrei sein…
OK, ich weiss, das ist jetzt wirklich pingelig, aber ich fands halt lustig. Erst der 10vor10-Saubermann-Bericht und dann so einer.